Der Film in Ghana

Der Film in weiten Teilen Afrikas ist ein Feld, das vielen Menschen in Europa weitestgehend verschlossen bleibt. Während einige südafrikanische Filme wie “The Gods Must Be Crazy” und “District 9” auch kommerziell erfolgreich waren, und manche Cineast*innen senegalesische Produktionen wie “La noire de…” und “Touki Bouki” kennen mögen, die sich auch auf europäisch geprägten Kritikerlisten wiederfinden, sind die nationalen Filmindustrien anderer Länder weit weniger bekannt. Dominiert wird gerade das englischsprachige Afrika von Nigerias Ökosystem, auch “Nollywood” genannt; nur Bollywood produziert jährlich eine größere Zahl an Filmen. So verwundert es aufgrund der sprachlichen und geographischen Nähe sowie Nigerias wesentlich größerem Binnenmarkt nicht, dass auch die Namen ghanaischer Schauspieler*innen oft auf den Postern nigerianischer Filme auftauchen. Nichtsdestotrotz hat der Film als Kunstform auch in Ghana selbst eine spannende und oft bewegte Geschichte, die wir euch in diesem Artikel etwas näherbringen wollen.

Die ersten Filme des unabhängigen Ghanas

Einige Jahre nach dem Erreichen der Unabhängigkeit Ghanas unter Kwame Nkrumah wurde 1964 die Ghana Film Industry Corporation mit dem Ziel gegründet, die Bevölkerung weiterzubilden und aufzuklären - freilich im Sinne der zunehmend autoritären Regierung. Nach dem Sturz Nkrumahs nur zwei Jahre später verlor die GFIC zunehmend ihr Monopol auf Produktion und Verbreitung von Filmen. Erst in den Achtzigern erlebte der Film in Ghana wieder einen Aufschwung mit dem Aufkommen von unabhängig finanzierten Projekten. Eines der frühesten ist Kwaw Ansahs “Love Brewed in the African Pot” von 1981.

“Love Brewed in the African Pot” war einer der ersten kommerziell und kritisch erfolgreichen Independent-Filme Ghanas und gilt als ein Klassiker des westafrikanischen Kinos. Mit seiner Geschichte über ein scheiterndes Liebespaar zur Kolonialzeit steht es auch als Beispiel für das politische Engagement der Künstergeneration um Kwaw Ansah.

Eine Anekdote über dessen Produktion vermittelt, wie prekär die Finanzierung von Filmen in dieser Phase war: Als Sicherheit für den Bankkredit musste Ansah das Haus seines Schwiegervaters angeben. Diesen Widrigkeiten zum Trotz wurde der Film einer der ersten, der auch international positive Resonanz erhielt, so den UNESCO Filmpreis. Ansah steht in der panafrikanischen Tradition Nkrumahs, sein Film verhandelt dementsprechend typische Themen wie Klassenkonflikte und das Spannungsverhältnis zwischen europäischen und afrikanischen Werten im Kontext eines jungen Liebespaars in der Kolonialzeit, dessen Eheschließung aufgrund des Klassenunterschieds nicht gebilligt wird. Auch sein späterer Film “Heritage Africa” diskutiert Ghanas Vergangenheit am Beispiel eines Beamten in der ghanaischen Kolonialverwaltung, der sein afrikanisches Erbe in der Hoffnung auf sozialen Aufstieg verleugnet.

Neben Ansah steht als ein Begründer des unabhängigen ghanaischen Films King Ampaw. Ampaws Laufbahn zeigt einen anderen Umgang mit dem kolonialen Erbe Ghanas; als Absolvent der Filmhochschule München tritt er auch als Schauspieler in Werner Herzogs “Cobra Verde” auf, er selbst sieht seinen Stil von Jean-Luc Godard beinflusst an. Sein Film “Kukurantumi: Road to Accra“ (1983) über einen Busfahrer, der bildlich und buchstäblich zwischen dem Dorf Kukurantumi und der Hauptstadt Accra pendelt, wurde vom deutschen Rundfunk finanziert und war einer der ersten ghanaischen Filme, der auch auf europäischen Fernsehern zu sehen war.

Der Videokamera-Boom

Im Laufe der Achtziger erfasste Ghana eine Neuerung, die zur selben Zeit auch das nigerianische Kino fundamental verändern sollte: Anstelle teurer Filmkameras kamen Videokameras zum Einsatz, die die Produktionskosten massiv senkten und die Zahl an Filmen signifikant steigen ließen. Am Anfang dieser Entwicklung steht in Ghana William Akuffos “Zinabu” (1985); er behandelt die Konvertierung einer Hexe zum christlichen Glauben und damit, typisch für dieses Genre, den Konflikt zwischen traditioneller und christlicher Religion. Die Auswirkungen dieser “video film era” sind zwiespältig: Während sie vielen Ghanaer*innen den Zugang zu Film erst ermöglicht hat durch günstige Kassetten, sind die Produktionsbedingungen für die Schauspieler*innen oft kaum vertretbar und die Qualität der einzelnen Filme schwankt stark.

Die Menge an günstig produzierten Filmen führte bald auch zum Aufkommen kleiner, oft mobiler Kinos, gerade in der Region um Accra. Damit einher ging eine für Ghana typische Tradition von handgemalten Filmpostern, die mal mehr, mal weniger akkurat dem beworbenen Film entsprechen. Diese haben inzwischen Kultstatus erreicht: Einige der Posterkünstler*innen erhalten auch heute noch Kommissionen für neue Poster von Hollywood-Klassikern in diesem unverwechselbaren Stil.

Ghanaische Kinos in den Achtzigern waren oft nicht mehr als ein Projektor und ein Generator, die mit einem Kleintransporter von Ort zu Ort fuhren. Um ihre Auswahl zu bewerben, ließen die Besitzer handgemalte Poster anfertigen. Wie unschwer zu erkennen ist, war der Werbeeffekt dabei oft wichtiger als eine wahrheitsgemäße Darstellung des Filminhalts.

Das moderne ghananische Kino

Während in Ghana lange Zeit vor allem englischsprachige Filme produziert wurden, hat sich inzwischen auch eine Industrie für Filme auf Akan, der am weitesten verbreiteten Landessprache, herausgebildet. Diese befindet sich in Kumasi, der zweitgrößten Stadt des Landes, und ist dementsprechend auch als “Kumawood” bekannt. Gleichzeitig ermöglicht das Aufkommen von Streaming-Platformen erstmals auch ein internationales Publikum zu erreichen. So war der Film “Potato, Potahto” (2017) der Regisseurin Shirley Frimpong-Manso, deren Werke gerade auch weiblichen Charakteren mehr Platz verschaffen wollen, zeitweise auch im Ausland über Netflix zu erreichen. Der Film über eine Scheidung eines Paares, das dennoch unter einem Dach bleibt, wurde auch beim Filmfestival Cannes gezeigt und ist ein Beispiel für den modernen ghanaischen Film, der sich durch höhere Produktionsqualität und moderne Themen auszeichnet.

Diese kleine Auswahl kann hoffentlich verdeutlichen, wie divers die Filmgeschichte und -landschaft Ghanas ist. Sie war und ist stets auch Einblick in die Geschichte und Kultur Ghanas. Manche dieser Filme lassen sich nach kurzer Suche auch leicht im Internet finden - wenn ihr also Interesse entwickelt habt, seht euch doch mal einen an!

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