Reisebericht 2024
Am Freitag, den 13. September geht es endlich los nach Ghana! Nach monatelanger Vorbereitung machen wir uns mit einem kurzen Zwischenstopp in Istanbul auf den Weg nach Accra der pulsierenden Hauptstadt Ghanas! Eine erfolgreiche Landung und Taxifahrt später kommen wir müde, aber gespannt in unserem Hostel für die nächsten zwei Nächte an. Wir planen noch ein wenig die nächsten Tage und dann fallen wir relativ bald und von der Reise erschöpft ins Bett.
Die Hauptstadt Accra
Unseren ersten Tag in Ghana verbringen wir in der wuseligen Hauptstadt. Mit einem Trotro fahren wir ins Zentrum. Die Trotros, Kleinbusse mit eingebauten Sitzbänken, machen den unübersichtlichen, aber sehr effizienten ÖPNV in Ghana aus. Die Menschen begegnen uns freundlich und enthusiastisch. Viele grüßen, wollen kurz plaudern, oder ein Selfie machen. Auf dem Makola-Markt, dem größten der Stadt, bummeln wir herum und schauen uns schöne Stoffe, bunte Kleidung und diverse Lebensmittel an. Es ist so viel los! Anschließend lernen wir beim Besuch des Kwame-Nkrumah-Denkmals und -Museums mehr über den ersten Präsidenten Ghanas, der das Land 1957 in die Unabhängigkeit führte. Nach dem Mittagessen im Szeneviertel Osu, bei dem wir Fufu mit den Händen essen, besichtigen wir einige Galerien mit Werken lokaler Künstler und auch einen schönen Buchladen.
Abends machen wir noch das Accra-ische Nachtleben unsicher und besuchen den 233 Jazz Club. Dort dröhnten schon bald die Ohren von einer unermüdlichen Band, die ca. 1,5h ohne jegliche Unterbrechung durchspielte. Die Begeisterung und das Tanzen der anderen Besucher*innen zeigte, dass es sich um sehr bekannte Hits handelte. Mit der grandiosen Atmosphäre definitiv ein Geheimtipp und nochmal eine ganz andere Seite Accras!
Den folgenden Morgen verbringen wir am Labadi Beach, einem der langen Atlantikstrände Accras und genießen den Wind, der die Hitze deutlich erträglicher macht. Eigentlich möchten wir noch einige Punkte für den Besuch in Saboba besprechen, doch die zahlreichen tüchtigen Verkäufer*innen und Strandbarbesitzer*innen erschweren das. Bei einem frischen Getränk am Strand planen wir einige Gespräche, die wir in Saboba führen wollen. Dann geht es zurück in die Stadt, um unsere Abreise vorzubereiten!
Auf in den Norden
Am späten Sonntagnachmittag machen wir uns auf den Weg in den Norden des Landes. Ein mit bequemen Sitzen ausgestatteter Bus bringt uns bis nach Tamale, der Metropole des Nordens. Leider wird es schon bald dunkel, sodass wir nicht viel vom Land sehen, dafür spüren wir die schlechten Straßen umso mehr. Für zweifelhafte Unterhaltung, während der der langen Fahrt sorgen die nigerianischen Seifenopern, die pausenlos auf dem Fernseher im Bus laufen. Der Ton ist aber leider immer entweder zu laut oder zu leise, um etwas zu verstehen...
Um kurz vor fünf Uhr morgens kommen wir nach zwölf Stunden in Tamale an. Dabei waren wir endlich gut eingeschlafen! An der Bushaltestelle warten wir dann darauf, von Silas, dem Vorsitzenden des SYC, abgeholt zu werden. Wir fahren aber nicht sofort weiter nach Saboba. Stattdessen stärken wir uns mit Silas zunächst bei einem Frühstück! An einem Straßenimbiss bekommen wir an einem eilig hergerichteten kleinen Tisch schwarzen Tee mit Kondensmilch aus riesigen Tassen und ein frisch zubereitetes Fladenbrot mit Omelette - ein typisches ghanaisches Frühstück. Frisch gestärkt fahren wir zu unserem ersten Termin. Wir besuchen den Sitz von Y.E.F.L. der Dachorganisation des SYC, mit denen wir uns kurz besprechen. Als nächstes besuchen wir Amadu bei seiner Arbeit. Amadu ist ein Gründungsmitglied des SYC, und die Kooperation von Biyoom e.V. und des SYC geht auf die Freundschaft von Amadu und Lauritz zurück. Danach geht es von Tamale los nach Saboba!
Die Straße bis kurz nach Yendi, wo wir zu Mittag essen, ist für ghanaische Verhältnisse sehr gut. Das restliche Stück ist sie aber nicht mal asphaltiert und in der Regenzeit oft überschwemmt. Doch dieses Jahr hat es (leider) nur wenig geregnet, es gibt daher nur einige große Pfützen auf der Strecke. In Saboba werden wir dann von den SYC-Mitgliedern Fusheini, Divine, Faustina und Johnson in Empfang genommen. Ein guter Start in unseren Besuch!
Los geht’s in Saboba
Am Montagmorgen beginnt unser offizielles Programm in Saboba. Das SYC stellt uns bei allen wichtigen Institutionen vor und informiert sie, in den nächsten paar Tagen drei ausländische Gäste in Saboba unterwegs sind. So besuchten wir den District Chief Officer (ein lokaler Regierungsvertreter), das Immigration Office (wo unsere Pässe und Visa noch einmal genauestens kontrolliert wurden), die örtliche Polizeistation und zu guter Letzt den „Main Chief“ der Saboba Region - umgeben von einigen seinen Subchiefs und Ältesten. Es ist schön zu sehen, dass das SYC anders als 2019 allen bekannt ist und ihre Arbeit in der Gemeinschaft hochgeschätzt wird. Auch wir werden wir als ihre Gäste sehr herzlich in Empfang genommen. Die Ghanaer*innen lieben a sehr formelle und wortreiche Begrüßungen, die immer mit einem oder auch mehreren Gruppenfotos beschlossen werden. Nach diesem offiziellen Teil, bei dem dennoch auch immer viel gelacht wird, sind wir offiziell in Saboba angekommen und können entsprechend dem durchgetakteten Ablaufplan des SYC in den nächsten Tagen diverse sog. „Communities“ (kleine Dörfer im Distrikt Saboba) besuchen, in denen das SYC seine Projekte durchführt.
Am Nachmittag ergibt sich eine Gelegenheit den Markt in Saboba zu besuchen. Die Händler*innen ziehen teilweise durch die Region und kommen alle sechs Tage (nach örtlicher Rechnung wöchentlich) nach Saboba. Es kommen viel Händler*innen aus umliegenden Communities aber auch aus Togo, da Saboba direkt an der Grenze liegt. Zum Glück begleiten uns unsere Freunde vom SYC, denn der Markt ist genau, wie man ihn sich vorstellt: laut, wuselig, voller unbekannter Gerüche und man kommt aus dem Staunen nicht heraus. Gleichzeitig ist ein Spaziergang über den Markt auch eine perfekte Gelegenheit die Mitglieder des SYC bei persönlichen Gesprächen besser kennenzulernen. Auf dem Markt sind auch die Eltern diverser Mitglieder als Händler*innen vertreten. Wir bekommen von ihnen naturbelassene Shea-Butter zur Hautpflege geschenkt. Sie wird in Handarbeit aus den Samen des Shea-Baumes hergestellt. Außerdem erstehen wir wunderbar farbenfrohe Wachsstoffe mit ausgefallenen ghanaischen Mustern. Diese geben wir auch direkt bei Schneider*innen in gute Hände, sodass wir uns vor der Abreise aus Saboba in maßgeschneiderter traditioneller Kleidung präsentieren können.
Die Baumplantagen
Der Mittwoch ist dann ganz dem Green My Community Projekt gewidmet. Die Baumplantagen sind in verschiedenen Communities im Distrikt Saboba verteilt, sodass man ein Stück fahren muss, um dorthin zu kommen. Auf den nicht asphaltierten Straßen kann man nicht sonderlich schnell fahren, und da wir mit den Leuten dort sprechen wollen, bevor sie zur Feldarbeit aufbrechen, müssen wir früh los.
Wir beginnen den Tag also mit einem Besuch im Dorf Boargbaln. Es gehört sich, zuerst zum Dorfhäuptling und den Dorfältesten zu gehen und sich dort vorzustellen. Es werden Grüße ausgetauscht und man bekommt vom Häuptling eine Kolanuss, die man dann isst. Leider schmecken sie wirklich nicht gut! Bei diesen Zeremonien übersetzt Silas für uns, denn hier sprechen die meisten Leute kein Englisch, sondern nur Likpakpaln, die Sprache der Konkomba-Volksgruppe. Im Anschluss an diese Vorstellung gehen wir dann auf die Plantage. Hier wurden insgesamt 7000 Bäume gepflanzt, größtenteils Teak und etwas Mahagoni. Das SYC stellt lediglich die Setzlinge, das Vorbereiten des Landes, das Pflanzen und die Pflege danach übernehmen die Dorfbewohner selbst. Dabei begleitet sie das SYC, insbesondere Johnson, der beim ghanaischen Forstamt arbeitet. Die Leute von Boargbaln sind offensichtlich sehr motiviert, kennen sich gut auf der Farm aus und planen schon weiter: Sie würden gern Mangobäume pflanzen und fragen, ob man auch solche Setzlinge bekommen könne. Es ist sehr beeindruckend, durch eine solche Plantage zu laufen. Die Bäume sind noch klein, doch über hunderte Meter hinweg sieht man sie aus der Erde sprießen. Zum Ende des Besuchs gehen wir wieder zum Häuptling, um uns zu verabschieden. Dort wird uns eine sehr hohe Ehre zuteil: wir bekommen eine weiße Taube geschenkt. Wie uns Iba vom SYC erklärt, ist ein solches Geschenk eigentlich nur Häuptlingen anderer Communities oder Stämme vorbehalten. Wir sind für diese Würdigung sehr dankbar und sehen sie auch als Zeichen, dass die Unterstützung des SYC – und damit auch Biyoom – den Menschen im Distrikt Saboba wirklich etwas bedeutet.
Zur Mittagspause sind wir zurück in Saboba und diskutieren mit dem SYC über das E-Library-Projekt, also einen Computerraum insbesondere für Kinder- & Jugendparlamentarier*innen. Wir haben einige Laptops mitgebracht, um dem SYC beim Start des Projekts zu helfen, worüber die sich sehr freuen. Aber tatsächlich ist schon viel passiert: Gut neun Monate lang haben sie mit den wenigen verfügbaren Geräten zweimal wöchentlich Unterricht für die Kinderparlamentarier*innen gemacht.
Später am Tag besuchen wir noch weitere Green My Community-Plantagen, werden dabei jedoch von sintflutartigem Regen erwischt. Da hat man keine Wahl als unter ein Abdach zu fliehen! So viel Regen auf einmal haben wir nur selten gesehen. Doch eigentlich ist es ein gutes Zeichen, denn in dieser Regenzeit hat es viel zu wenig geregnet. Viele Bauern haben erzählt, das große Teile ihrer Ernte eingegangen sind. Dieser Regen kommt spät, aber er kann noch helfen.
Die Sparbüchsen
Am Donnerstag besuchen wir mehrere Spargruppen. Dieser Klassiker unter den SYC-Projekten beeindruckt uns jedes Mal aufs Neue, denn die Berichte von Teilnehmenden sind sehr bewegend. Die Leute hier haben nicht viel Geld: Sie zahlen 10-20 Cedi pro Woche ein, sprich 0,5-1€. Übliche Darlehen betragen 500 Cedi, also 30€. Doch das bedeutet den Familien hier viel, sie können dadurch Saatgut kaufen oder Schulgeld bezahlen. Besonders schön ist auch der verbindende Charakter, der diese Gruppen prägt: man trifft sich meist an einem zentralen Platz der Community, zum Beispiel im Schatten eines großen Baobab-Baums, und es wird viel gelacht. Das ist nicht zuletzt der Grund für den andauernden Erfolg der Sparergruppen.
Noch mehr Kulturprogramm
Nachmittags wartet ein kulturelles Highlight auf uns: Ein traditioneller Tanz, der typischerweise auf Beerdigungen getanzt wird, um der Toten zu gedenken. Bei den Konkomba wird der Tod eines alten Menschen nicht als traurig betrachtet, sondern als Ende eines guten Lebens. Es ist also ein Grund, das Leben zu feiern! Entsprechend laut, bunt und überwältigend ging es zu, was für eine Schau! Getanzt haben zuerst die Jungs und jungen Männer mit traditionellem Hüft- und vor allem Beinschmuck, der rasselt und Lärm macht, was das Zeug hält, da der Tanz aus vielen kraftvollen Sprüngen und Stampfern besteht. Dazu wird getrommelt, gepfiffen, „Cowbell“-ähnliche Metallinstrumente geschlagen und gesungen, gejohlt und geschrien. Auch die Frauen packten bald ihre Trommeln und Rasseln aus und begannen eine nach der anderen kleine Solopartien zu tanzen und wurden dabei johlend und singend von den anderen Frauen und den mittlerweile zuschauenden Männern angefeuert. Für unsere europäischen Ohren ist das ingesamt ein fast undurchdringlicher Soundteppich, aber voller Lebensenergie und eine mitreißende Stimmung produzierend - so mitreißend, dass sowohl Lauritz als auch Helene schon nach Sekunden mit in den Tanzkreis gezogen wurden und ganz schön ins Schwitzen kamen. Das wiederum sorgte für allgemeine Belustigung, da diese Tänze normalerweise 4-5 Stunden dauern können!
Abschied aus Saboba
Mittlerweile nähert sich unser Aufenthalt in Saboba seinem Ende, Freitag ist unser letzter Tag hier. Daher besuchen wir wieder den Häuptling, um ihn zu bitten, Saboba verlassen zu dürfen. Wir können dort sogar schick gekleidet auftreten, denn wir tragen unsere neu geschneiderten bunten Gewänder. Der Chief ist in seinen Abschiedsworten sehr deutlich: Er dankt dem SYC und uns nachdrücklich und hofft, dass unsere Partnerschaft sich noch weiter vertiefen wird. Wir seien nicht mehr Freunde, sondern Brüder und Schwestern geworden. Als Zeichen seiner Gastfreundschaft schenkt er uns auch zwei Rebhühner. Damit ist dieser Besuch der geflügeltechnisch ertragreichste in der Geschichte von Biyoom: ein Huhn, eine Taube, 6 Eier und zwei Rebhühner. Für deutsche Ohren mag das natürlich etwas absurd klingen, aber es ist eine riesige Ehre, dass wir so beschenkt werde!
Doch ein wichtiges Projekt des SYC fehlt noch: Nachmittags findet eine Sitzung des Jugendparlamentes statt! Es ist ein wahres Spektakel. Beide Fraktionen vertreten mit Herzblut ihre Position. Redner*innen bekommen lautstark Unterstützung der eigenen Fraktion („yeah, yeah!“) und ebenso lautstarke Ablehnung der Gegenseite („nooo, noo!!“). Es macht allen Beteiligten sichtlich Spaß, diese Rituale zu pflegen und gerne auch mal mit unlauteren Mitteln die Stimmung noch aufzuschaukeln, indem irgendwelche prozeduralen Gründe angeführt werden. Am Ende der Debatte fasst der Speaker dann jedoch sehr sachlich und prägnant die wichtigen Punkte zusammen und versucht sie zu einem Gesamtergebnis zu integrieren.
Nach diesem fulminanten Abschluss ist unsere Zeit hier dann aber zu Ende. Am Samstagmorgen treffen wir uns ein letztes Mal am SYC-Büro, um uns voneinander zu verabschieden. Ein besonders schöner Aspekt dieses Besuches ist es, dass wir einander viel besser persönlich kennenlernen konnten. Das wird unsere Zusammenarbeit auch in Zukunft tragen.
Der Rückweg
Silas bringt uns zurück nach Tamale, doch nach den starken Regenfällen der vergangenen drei Tage ist die Straße zwischen Saboba und Yendi überflutet, sodass wir auf den längeren Weg über Wapuli ausweichen müssen. Auch diese Straße ist nur knapp passierbar. In manchen Jahren passiert es, dass Saboba ganz von der Außenwelt abgeschnitten ist und nur noch per Kanu erreichbar ist. In Tamale angekommen verabschieden wir uns auch von Silas und fahren zum Mole-Nationalpark weiter. Die Tage in Saboba waren sehr schön und bereichernd, aber auch anstrengend. Hier werden wir etwas entspannen - und natürlich auf Safari gehen!
Trotz der Erschöpfung geht es also um sieben Uhr morgens zur Safari los. Es ist nicht ganz leicht, so früh aus den Federn zu kommen, und doch: Wir werden mit einer Herde Antilopen, einer Menge Paviane, einigen Warzenschweinen und zwei Elefanten belohnt. Bis zur Jeep-Safari am Nachmittag entspannen wir beim Lesen, Kartenspielen oder im Pool. So verbringen wir zwei gemütliche Tage. Die Safaris sind von Erfolg gekrönt: Wir können mehrmals Elefanten von ganz nah beobachten, sehen verschiedene Affenarten, Krokodile, jede Menge Antilopen und mehr.
Am Dienstagmorgen treten wir den Weg zurück in den Süden an. Heute fahren wir per Trotro bis nach Kumasi, der zweitgrößten Stadt des Landes. Das Trotro-Netz ist ausgesprochen effektiv. Für Außenstehende wirkt es total unübersichtlich, aber es gibt genau definierte Routen und Preise. Wir müssen mehrmals umsteigen, doch es gibt kaum Wartezeiten. So kommen wir unkompliziert – aber vom Fahrtwind total verstaubt – in Kumasi an.
Ein Reisebericht von Lauritz Hahn und Helene Lösl
Falls ihr noch genauer die Route von Helene, Fabian und Lauritz nachvollziehen wollt, dann schaut euch doch ihren Reiseblog an, in dem sie täglich ihre Stationen markiert und mit Text und Bildern untermalt haben.